Nach zehn Tagen Cusco und Umgebung packte uns das Reisefieber wieder, und wir fuhren ueber Nacht in den peruanischen Sueden nach Arequipa, der zweitgroessten Stadt des Landes. Auf dieser Fahrt hatten wir die Panoramasitze ganz vorne im Bus (das Untergeschoss besteht aus Laderaum und Fahrerzelle, im oberen Stock sitzen die Passagiere, ganz vorne eben hinter einer grossen Frontscheibe). Direkt unterhalb der Frontscheibe schaute uns die Heilige Maria huldvoll-segensreich an, und das tat sie zurecht, denn unserem Fahrer konnte man die Angst vor dem Jenseits absprechen, so wie er fuhr. Die zwei durchgezogenen gelben Striche in der Strassenmitte beeindruckten ihn keineswegs, insbesondere nicht vor nichteinsehbaren Kurven. Sogar das beleuchtete Marienbildnis flackerte schliesslich, wenn wir mal wieder ein Auto ueberholten. Schon irgendwie befremdend, wenn ein grosser Bus mit Abstand der schnellste Verkehrsteilnehmer ist.
Auf dem peruanischen Mond
Aber Maria war uns hold, und wir kamen unversehrt in Arequipa an (Fotos). Arequipa hat knapp 800.000 Einwohner und liegt im Sueden Perus in einer wahren Mondlandschaft. Die Arequipeñas sagen, Gott haette ihre Region vergessen, als er den Mond zusammengebastelt habe. Arequipa liegt auf 2300 Metern zu Fuss eines grossen Vulkans, des El Misti, 5822m. In der Naehe ragen zudem zwei weitere Bergzuege aus der flachen Mondlandschaft. Beeindruckend, wie sich an der suedamerikanischen Westkueste ueber Tausende Kilometer hinweg stets Berge jenseits der 6000 Meter tummeln. Hier stehen sie aber einsam in der Gegend, ohne weitere grosse Gebirgszuege. Unseren Nachmittag verbrachten wir in einem ganz netten grossflaechigen Kloster innerhalb der Stadt, das es aufgrund seiner architektonischen Reize zu internationalem Ruhm gebracht haben soll... wir hatten sowieso nix Besseres zu tun.
Der Berg
Am naechsten Tag aber, da brachen wir auf zu ganz Grossem: Zur Besteigung des El Misti. Frueh morgens wurden wir von unserem Guia abgeholt und auf 3400 Metern zu unserem Startpunkt gefahren. Dieses Mal hatten wir dummerweise keine Traeger, und mussten unser Trink- und Kochwasser, Zelt und Klamotten selber tragen. Das zwar nur bis auf 4400 Meter, aber mit 15-20 Kilogramm auf dem Ruecken ist das bereits eine enorme Herausforderung in dieser Hoehe. Mit leichten Kopfweh und Uebelkeitsgefuehlen eben wegen letzterer kamen wir nachmittags erschoepft in unserem Basiscamp an, bauten Zelt auf, assen, tranken Aspirin und gingen vor Sonnenuntergang zu Bette. Um 2 Uhr morgens brachen wir auf, um diesen herrlichen Vulkan zu erklimmen, neben dem der Mont Blanc als kleines Huegelchen verblassen wuerde, wuerde er sich nicht verschaemt in Frankreich verstecken. Die Besteigung war technisch aeusserst leicht und kam ohne Klettern aus. Doch es war das Anstrengendste, was ich in meinem Leben gemacht habe!
Kampf gegen die Hoehe
Eigentlich war es hoechst romantisch, bei Vollmond im hellen Schwarzweiss zwischen Felsen und Vulkansand dem Sternenhimmel entgegenzusteigen... waere man nicht in einer Art Fieberdelirium gewesen. Die Auswirkungen der Hoehe mit Mangel an Sauerstoff sind kaum zu unterschaetzen! Die ersten Stunden waren bereits unglaublich anstrengend. Irgendwann auf dem Weg trauten wir uns schliesslich, doch mal nachzufragen, wie weit es denn nun noch sei. Und da bekamen wir "tres horas y media" als Antwort, und an den weiteren Aufstieg kann ich mich nur noch insoweit erinnern, als dass ich mir stets einen Stein zehn Meter weiter oben als Ziel ausguckte, mich dort hinschleppte, um dort erschoepft hinzufallen und zu hecheln und zu stoehnen, bis sich der Herzschlag wieder einigermassen beruhigt hatte. Nur um dann wieder aufzustehen und den naechsten Stein anzupeilen.
Sieg!
Die letzten zwei Wochen hatten wir zwar permanent auf ueber 3000 Meter verbracht, doch trotz dieser Vorbereitung meinte man zu ersticken, wenn man nicht gerade an sein Kopfweh oder den leichten Brechreiz denken wollte. Unser Guia stand derweil ein paar Meter weiter oben und liess uns gewaehren. Ich weiss zwar nicht mehr wie, aber schliesslich kamen wir gegen halb neun auf dem Gipfel an und fuehlten uns - nach zehn Minuten Toter Mann am Boden - wie Reinhold Messner bei der Erstbesteigung des Mount Everest ohne Sauerstoffflaschen. Der Gipfelblick war herrlich genau wie das Gipfelbier, das trotzdem grossenteils Pacha Mama, der Mutter Erde, geopfert wurde.
Noch mehr Berge
Und in keiner Dreiviertelstunde ging´s dann wieder runter zum Basiscamp! Denn waehrend man sich fuer den Aufstieg ueber einigermassen trittfestes Gestein quaelen muss, kann man hinab eine Vulkansandpiste rennen / fahren. Vom Basiscamp war es dann auch nur noch ein gefuehlter Katzensprung bis zum Startpunkt, und bereits kurz nach Mittag konnten wir wieder nach Lust und Laune sauerstoffdichteste Stadtluft in Arequipa atmen. Heute haben wir uns grossenteils von den Strapazen erholt und uns im Ruhm gebadet. Morgen geht die muntere Reise weiter ueber Lima in irgendeine nordperuanische Cordillera, deren Name mir gerade entfallen ist. Dort soll´s auch wunderschoen sein, vor allem zum Wandern... Chao!
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2 Kommentare:
Aber nicht anstrengender als die große Stübenwasen-Runde, oder?
Und jetzt geht's auf den Chachani - vielleicht gibt's da auch Schafe... äh Lamas...
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