Dienstag, 11. September 2007

Hoch zwei

Keine zwei Wochen ist es her, dass ich mir geschworen hatte, nie mehr ueber 5000 Meter zu klettern. Da hatte ich auf einem suedperuanischen Vulkan gelegen und mir die Lunge aus dem Leib gekeucht. Aber was hat mich mein Selbstgeschwaetz von gestern interessiert, und jetzt haben wir es schon wieder getan (Fotos)! Aber der Reihe nach.

Nadie como ella

Von Arequipa im Sueden Perus sind wir ueber Nacht nach Lima gefahren. Wie jede Busreise wartete auch diese mit unvergesslichen Eindruecken auf, dieses Mal wurden wir um halb sechs morgens mit ohrenbetaeubenden Marc-Anthony-Videoclips aus dem Schlaf geschreckt. Aber wenn man (wie ich) auf kitschigste Latinomusik steht (mit Liedern ueber einzigartige Frauen), ist das natuerlich die schoenstmoegliche Weise, einen neuen Reisetag zu beginnen (von wegen Emocore).

Lima

Tagsueber haben wir uns die peruanische Hauptstadt angeschaut. Lima ist ein 8-Millionen-Moloch am Meer. Wir hatten Zeit fuer das Regierungsviertel mit Praesidentenpalast und Plaza de Armas. Zu unserem Glueck war Sonntag, und wir konnten der Show der grossen Wachabloesung beiwohnen, bei der sich die Soldaten als wahre Artisten entpuppten und ihre Gewehre durch die Luft jonglierten, wie es kein Strassenkuenstler haette besser machen koennen. Besonders schoen, weil so menschlich, war es auch deshalb, weil sie ihre Kunststueckchen nicht wirklich synchron konnten. Anschliessend haben wir uns ein riesiges Kloster angeschaut, das Zehntausende Skelette huebsch aufbereitet in seinen Katakomben beherbergt, und schliesslich noch das Folter- und Parlamentmuseum (thematisch ja offensichtlich eine Einheit bildend). Nach soviel Kultur gingen wir essen, und da besteht in Peru Gottseidank nicht die Qual der Wahl, denn beinahe jedes Restaurant ist eine Polleria, das mit einer Tafel "1 Pollo, 1/2 Pollo, 1/4 Pollo" wirbt. Gluecklicherweise moegen wir Pommes mit Huehnchen. Viel lieber etwa als den sonst ueblichen trockenen weissen Reis, der erst durch unverhaeltnismaessig viel Aji (gruengelbes scharfes Zeug) die Reizsehnsucht des Geschmackssinns zu befriedigen weiss. Es ist uebrigens ungemein schwer, in einem Nichtpolleriarestaurant den Reis gegen Kartoffeln einzutauschen, so schwer, dass Teresa unsere Diskussionen mit den Bedienungseñoritas schon auesserst peinlich sind.

Weisse Bergkette

Abends ging die Reise weiter nach Huaraz in die Cordillera Blanca, eine der bekanntesten und schoensten Andengebirgszuege mit lauter malerischen Fuenf- und Sechstausendern, u.a. dem Huascarán (6768 m), dem vierthoechsten Berg ausserhalb des Himalayas, und dem Alpamayo (5947 m), der als einer der schoensten Berge der Welt gilt (nicht nur im peruanischen Weltbild). Fuer vier Tage sind wir zunaechst durch das idyllische Santa-Cruz-Tal gewandert, mit drei Maedels aus dem Hostal und zwei Eseln und deren Treiber. Letztere kosten naemlich unwiderstehliche Appel und Ei, so dass wir uns den Luxus goennten. Leider beginnt hier gerade die Regenzeit, die Wandersaison ist nahezu vorbei, und wir hatten zum ersten Mal seit zwei Monaten wieder Regen, dummerweise an den Tagen mit den angeblich besten Aussichten. Nett war´s trotzdem, so dass wir, kaum zurueckgekommen nach Huaraz, uns um die naechste Tour kuemmerten. Die Kletterambitionen von Tillmann und Teresa waren groesser denn je, und so vergass ich bereitwillig meinen Arequipanischen Schwur, in den naechsten Jahren nicht mehr in grosse Hoehen zu klettern.

Auf dem Gletscher

Und so ging es auf den Gletscher Pisco (5752m). Der Legende nach tranken die Erstbesteiger (Deutsche, olé) ziemlich viel Pisco, das Nationalgetraenk Perus, das vornehmlich aus der gleichnamigen Stadt stammt, die vor kurzem durch das Erdbeben zerstoert wurde. (Das nenne ich Informationsdichte.) Vom Basiscamp ging es um halb zwei nachts los. Gegen kurz nach drei erreichten wir auf 4900m Hoehe den Gletscher, wo wir uns Steigeisen und Seile anschnallten und mit dem Eispickel den Gipfel "attackierten" (so sagt man im Spanischen). Im Lichte der Milchstrasse stapften wir die Eishaenge hoch. Eine seltsame romantische und unwirkliche Stimmung. Als wir 200 Meter unterhalb der Spitze waren, ging die Sonne auf und mit ihr der Blick auf die 6000er um uns herum. Bis dorthin war der Aufstieg kaum anstrengender als die Stuebenwasenrunde vom Notschrei zum Feldberg, insbesondere kein Vergleich zum El Misti, mit Steigeisen laeuft es sich meines Erachtens im Schnee leichter als auf Felsen und Sand, und die Hoehe sind wir wohl so langsam gewohnt (ausserdem macht es einfach unglaublich viel Spass, was alles viel ertraeglicher macht). Doch dann kamen in kuerzester Zeit Wolken auf, und es wurde richtig unangenehm. Als Schmankerl war eine Gletscherspalte, tiefer als dreissig, vierzig Meter, kurz unterhalb des Gipfels in den letzten zehn Tagen deutlich auseinandergegangen. Wir mussten zwanzig Meter seitlich absteigen, um weiter unten ueber sie zu springen, wobei die andere Seite erhoeht lag (in die andere Richtung war´s daher kein Problem). War der Aufstieg technisch sehr leicht gewesen, bereitete die Spalte ein, im Nachhinein betrachtet, spektakulaeres Hindernis. Als man vor ihr stand, soll man sogar richtig nervoes gewesen sein (hab ich gehoert). Aber nicht umsonst hatten wir einen teuren, aber faehigen Guía, und er hielt mich schoen am Seil fest, als ich im Gegensatz zu vorherspringender Teresa bei meinem Sprung keinen Halt fand und ueber die eisblaue Tiefe abrutschte. Tillmann zerstoerte mit seinem Sprung die Landezone schliesslich vollkommen, so dass unser Guìa bei unserer Rueckkehr nach Huaraz vor seinen Kollegen prahlte, wir waeren dieses Jahr die letzten gewesen, denn nun waere der Gipfel unerreichbar. Nach diesem Sprung kletterten wir zehn Minuten recht steil nach oben, und der Pisco war erklommen. Eine Minute feierten wir wolkenumringt unseren Erfolg. Dann trieb uns der eiskalte Schneewind wieder hinab.

Genug Berge

12 Stunden spaeter waren wir wieder in Huaraz, wo wir todmuede in unsere Hostalbettchen fielen. Heute ruhen wir uns aus und verbringen den Tag im Netz der Netze und in Cafés, bevor wir nachher zurueck nach Lima fahren. Von dort wird Tillmann uebermorgen nach Santiago fliegen, um mit der Familie seines besten chilenischen Kumpels den lokalen Nationalfeiertag zu feiern, und anschliessend weiter in die schoene Rhein-Main-Heimat reisen. Fuer Teresa und mich hingegen geht es noch zwei Wochen zusammen weiter. Wir wollen, nach all den Tagen Kaelte und Schnee und Schweiss, nach Lima erstmal an den Strand. Nos vemos!

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