Von Rio de Janeiro bin ich vor zehn Tagen in Richtung brasilianischer Nordosten (Fotos) aufgebrochen, um mit dem vergangenen Wochenende eines meiner geilsten solchen auf der Suedhalbkugel erleben zu duerfen. Los ging´s wie sooft mit dem Nachtbus ins kleine, aber sehr feine Ouro Preto im Landesinneren von Brasilien, sieben Stunden von Rio entfernt.
Schwarzes Gold
Waehrend Rio de Janeiro im 18. Jahrhundert keine 50.000 Einwohner hatte, zaehlte Ouro Preto zu seiner damaligen Bluetezeit ueber 100.000 Einwohner und war somit eine der groessten Staedte Amerikas damals (Neuyork zum Beispiel war viel, viel kleiner). Diese Bluete hatte es den Unmengen an Gold zu verdanken, die dort gefunden wurden. Ausser einem sehr schoenen alten Stadtkern und einer Menge huebscher, aber fuer verwoehnte Europaer nicht beeindruckender Kirchen hatte Ouro Preto und auch ganz Brasilien nichts von diesen Reichtuemern; sie wurden gleich nach Portugal verschifft. Tags drauf fuhr ich morgens weiter, zunaechst ins zwei Stunden entfernte Belo Horizonte, der Hauptstadt des Bundesstaats Minas Gerais, drittgroesste Metropolregion Brasiliens und Geburtsort von Lincoln (net Abraham, por supuesto) und Dede. Eine gepflegte, recht wohlhabende, unspektakulaere Stadt, die zu latinotobeschen Ehren kam, weil mein 26-Stunden-Anschlussbus nach Salvador, wie gesagt wie sooft, erst Abends fuhr.
Afrobrasilien
Salvador ist die Hauptstadt Bahias und Geburtsstadt Bebetos, nach meinem kurzen badehosefreien Abstecher ins Landesinnere wieder eine Kuestenstadt. Salvador ist die drittgroesste Stadt Brasiliens (also ohne Metropolregion diesmal, jeder zaehlt, wie er Lust hat) und beherbergt die afrobrasilianische Seele, was man an Sprache (falls man Portugiesisch kann) und Religion (falls man sich fuer die katholische Kirche interessiert) schnell merkt. Ich hingegen habe das mal aus dem dominanten Schwarz der Hautfarbe seiner Bewohner erschlossen. (Auch der Capoeira ist ein Erbe der Sklavenzeit, und Salvador gilt als das Zentrum dieses Kampfsports, o Senhor Plagemann.) Die sehr dunkle Hautfarbe faellt einem naemlich sofort auf. Die meisten Brasilianer, die ich gesehen habe, nicht nur in Florianopolis, sondern auch in Rio de Janeiro oder Belo Horizonte, sind naemlich bei weitem nicht so dunkel, wie es etwa die Zusammensetzung der Selecao einem planlosen, reiselustigen Mitteleuropaeer suggeriert (wenngleich diese Zusammensetzung auch nicht derart unrepraesentativ ist wie jenseits des Rheins). In Salvador wohnte ich bei Pedro und Raphaella, Freunden von Leandro und sehr guten Gastgebern, die mir Stadt und Bars zeigten. Lange konnte ich aber nicht bleiben, denn ich musste weiter, weiter nach Natal, 22 Busstunden noerdlich von Salvador.
Carnatal
In Natal (ohne Fussballspieler, den ich kenne, dafuer wiederum mit zwei national bekannten brasilianischen Schmidts) erhielt ich die tolle Gelegenheit, in die brasilianische Kultur einzutauchen, mich unters normale Volk zu mischen, mal Brasilien von der Einheimischenperspektive zu sehen, verstehen zu lernen, wie das Klischee der lebensfrohen Brasilianer gepraegt wurde, mit anderen Worten: derbst zu feiern (hatt ich ja auch schon lang nicht mehr gemacht). In Natal war naemlich vier Tage Carnatal, eine Art Karneval ausserhalb der Saison, was so aehnlich wie der Karneval in Salvador sein soll (letzterer uebrigens der groesste Straßenkarneval der Welt, die groesste Strassenfassenacht der Welt ist selbstverstaendlich am fuffzischsten Breitengrad). Carnatal (und anscheinend auch Karneval in Salvador) funktioniert sehr lustig: Um zwei grosse Stadien fahren Riesentrucks im Kreis, beladen mit Saengern und bombastischen Lautsprechern. In durch Ordner und Seile fest abgegrenzten Bereichen vor und nach den Trucks tanzen die jeweilige Partycrews, deren Mitglieder klar durch ihre uniformen T-Shirts zu erkennen sind. (Verkleidet ist sonst keiner.) Solche T-Shirts sind unglaublich teuer und schwanken nach Angaben meiner inkonsisten Quellen pro Abend zwischen 40 und 100 Euro. Auf einem Riesengebiet drumherum ist aber auch bestes Remmidemmi, und man kommt so nah an die Trucks heran, dass ich mich frage, weshalb die Leute soviel Kohle dafuer ausgeben. Der ganze Rest hingegen, Skol und Caipirinha und derlei, ist unglaublich guenstig, so dass man auch als Mann des Nordens leicht in die Sambaklaenge findet und den ein oder anderen Brasilianer alt aussehen laesst (zumindest in der eigenen Wahrnehmung zu diesem Zeitpunkt). Nur mein Aeusseres mit Thrice-Shirt (dieser subtile Kommentar zu den Sambaklaengen, den ich persoenlich unglaublich witzig fand, ist natuerlich untergegangen) und Jeans und Frisur haben mich als Gringo identifiziert. (So aehnlich, wie mich auch in Argentinien das mangelnde HiLa zum Auslaender gemacht hat. Floripa war der einzige Ort der Reise, wo ich wirklich nicht aufgefallen bin.) Als einer von einer Handvoll Gringos insgesamt uebrigens, sehr geil! Vier Naechte habe ich da also mein Tanzbein geschwungen, und nun erhole ich Koerper und Geist mit zwei Tagen Strand und vor allem Taking Back Sunday und was die YouFM-Typen noch in ihren Rockwebkanal gestellt haben. Den Strand hatte ich ja noch gar nicht erwaehnt: er und Wetter und Wasser und Waerme passen genauso in die deutschen Brasilienvorstellungen wie die letzten Naechte. Adventsstimmung kommt da schwerlich auf, auch wenn die Brasilianer hinsichtlich Lichterketten und Plastiktannen keinerlei Nachholbedarf haben. Den zweiten Advent feiere ich, hoffentlich aehnlich demuetig und in mich gekehrt, im grossen Finalort meiner kleinen Suedamerikasause, in Sao Luis.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen